„Nur wenige Dinge im Leben sind alternativlos. Die Energiewende gehört dazu“, ist sich Harry Neumann, Vorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) Landesverband Rheinland-Pfalz sicher. „Die Nutzung von Kohle, Öl und Erdgas führt zu unberechenbaren Schäden durch den Klimawandel. Außerdem handelt es sich um endliche Ressourcen, die in absehbarer Zeit unbezahlbar werden. Die nicht kalkulierbaren Risiken der Atomkraft führt uns der Jahrestag von Fukushima unmissverständlich vor Augen“, ergänzt er. Deshalb müsse am Ausbau der Erneuerbaren Energien festgehalten werden. „Unsere Experten gehen davon aus, dass wir bei der derzeitigen Technik etwa 2.300 Anlagen im zukunftsfähigen Strommix in Rheinland-Pfalz brauchen. Da bereits um die 1.300 Anlagen am Netz sind, fehlen demnach noch etwa 1.000 Anlagen. Hierbei ist bereits eine Reduzierung des Stromverbrauchs von 30 Prozent sowie Repowering eingeplant.
Natürlich müsse die Energiewende möglichst naturverträglich erfolgen. Der Ausbau der Windenergie müsse deshalb gelenkt werden. „Wir haben uns dafür eingesetzt, dass der Ausbau der Windenergie über die Regionalplanung erfolgt. Da es in der Vergangenheit auf dieser Ebene zum Teil zu Verhinderungsplanungen gekommen war, hätten wir uns hier klare Vorgaben für die Planungsgemeinschaften gewünscht. Stattdessen wurden den Planungsgemeinschaften Steuerungsmöglichkeiten genommen und die Verantwortung in die Hände der Kommunen gelegt. Dies kritisieren wir stark, da die Kommunen oft mit der Aufgabe überfordert sind“, erläutert Michael Carl, Sprecher des BUND Landesarbeitskreis Energie. „Durch die fehlende Qualitätsplanung leidet zunehmend die Akzeptanz für Windkraftanlagen in der Bevölkerung. Um dies zu verhindern, muss die Landesregierung dringend nachsteuern, z. B. durch eine Potentialanalyse für Rheinland-Pfalz und mit klaren Kriterien“, fordert Harry Neumann.
Der stellvertretende Landesvorsitzende Holger Schindler ergänzt: „In der Westpfalz wird gerade in einem vorbildlichen Prozess der Regionale Raumordnungsplan überarbeitet. Die Planungsgemeinschaft hat bereits im Vorfeld die Öffentlichkeit und die Naturschutzverbände beteiligt. Sie berücksichtigt in ihren Planungen sowohl die Naturschutzbelange als auch die Windhöffigkeit der Gebiete. Wir sind also zuversichtlich, dass ein guter Plan entsteht. Wir bedauern aber sehr, dass die Vorranggebiete keine Ausschlusswirkung für den Rest der Fläche haben werden. Eine Steuerung ist so nicht möglich.“
Unter den jetzt bestehenden Regelungen in Rheinland-Pfalz laste besonders große Verantwortung auf den Kommunen. Sie haben es bei der Erstellung von Flächennutzungsplänen in der Hand, für einen naturverträglichen Ausbau der Windenergie zu sorgen. Deshalb appelliert der BUND an die Entscheidungsträger in den Ort- und Verbandsgemeinden, bei der Planung der Anlagen auf Qualität zu setzen, die Belange von Mensch und Natur zu berücksichtigen, Solidarpakte zu bilden sowie die Verbände frühzeitig zu beteiligen. Ein positives Beispiel sieht der BUND in der Kooperation der Landkreise Germersheim und Südliche Weinstraße sowie der Stadt Landau. Die zugehörigen Gemeinden haben alle einen Solidarpakt geschlossen und planen gemeinsam zwei Konzentrationsgebiete. „Der Solidarpakt in der Südpfalz ist vorbildlich. Bei der Auswahl der Konzentrationsflächen wurde der Naturschutz beachtet. Bürgerinnen und Bürger können sich über eine Energiegenossenschaft am Bau der Anlagen beteiligen. Diesem Beispiel sollten möglichst viele Gemeinden folgen“, wünscht sich Harry Neumann.
Auch die Verbandsgemeinde Bernkastel-Kues sei ein gutes Beispiel. „Die Verbandsgemeinde hat frühzeitig ein Gutachten von einem renommierten Planungsbüro erstellen lassen und die Öffentlichkeit und die Verbände eingebunden. Sie hat einen Solidarpakt zwischen den Ortsgemeinden initiiert und so die Grundlage dafür geschaffen, dass ein größeres Konzentrationsgebiet gefunden werden konnte. Dieses geht nun in die offizielle Öffentlichkeitsbeteiligung. Die Belange von Mensch und Natur wurden sehr früh berücksichtigt. Damit wurden viele Konflikte vermieden“, ist Holger Schindler überzeugt.
Eine besondere Gefahr für die Energiewende sieht der BUND derzeit in den diskutierten Plänen zur Änderung des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG) auf Bundesebene. Insbesondere die Deckelung des Ausbaus von Fotovoltaik und Windenergie an Land (onshore) sieht er sehr kritisch. Hierdurch ginge die notwendige Investitionssicherheit verloren, wichtige Forschung würde blockiert und der Ausbau ohne Not verzögert. Schlimmstenfalls käme es zu Insolvenzen in diesem Bereich und zum Erliegen des Ausbaus. Gleiches gelte, wenn der Einspeisevorrang und die festen Einspeisetarife für Erneuerbare Energien aus Wind und Sonne abgeschafft würden. „Wir brauchen eine Steuerung der Anlagen an die richtigen Standorte aber keine generelle Verlangsamung des Ausbaus von Wind- und Sonnenenergie“, betont Landesvorsitzender Harry Neumann. Außerdem sei eine Energiewende in Bürgerhand von großem gesellschaftlichem Interesse. Deshalb dürfe es auch keine Pflicht zur Direktvermarktung geben, da das erhöhte Investitionsrisiko nur von wenigen großen Firmen getragen werden könne. Die dadurch geförderte Oligopolisierung könnte die Stromkosten in die Höhe treiben.
Besonders ärgert Holger Schindler der Vorwurf, die Erneuerbaren Energien machten den Strompreis teurer: „Die Strompreiserhöhungen entstehen vielmehr durch die Preispolitik der großen Energieunternehmen sowie durch Vergünstigungen bei der EEG-Umlage für so genannte energieintensive Unternehmen. Obwohl Kohle und Atom hohe Subventionen bekommen, sind es die Erneuerbaren die den Strom an der Börse billiger machen.“
„Im Gesamtenergieverbrauch müssen wir sogar 50 Prozent einsparen, um den Klimawandel und das damit verbundene Artensterben zu verhindern. Dafür brauchen wir ein grundlegendes Umdenken in unserem gesamten Konsumverhalten, also zum Beispiel auch im Verkehr, in der Landwirtschaft und Ernährung, denn unser ausufernder Lebensstil ist für den Klimawandel und das Artensterben verantwortlich. Neben dem Strombereich wird oft der große Energieverbraucher Raumwärme vergessen. Hier ist es notwendig, vor allem den hohen Energiebedarf unseres Gebäudebestandes zu verringern. Der BUND hat deshalb ein ‚Stufenmodell zur energetischen Gebäudesanierung’ ausgearbeitet und fordert die Landesregierung auf, dieses umzusetzen. Damit soll die jährliche Altbausanierungsquote von derzeit unter 1% auf dringend notwendige 2-3% angehoben werden. „Nur so schaffen wir die angestrebte Energiewende“, betont Harry Neumann.
„Je mehr Menschen aktiv an der Energiewende beteiligt sind, umso höher ist die Akzeptanz und umso leichter ist ein dezentraler Ausbau der Erneuerbaren möglich. Je dezentraler, desto weniger neue große Stromtrassen müssen gebaut werden“, betont Harry Neumann.
Um die Energiewende zu retten, ruft der BUND in einem breiten Bündnis zu Demonstrationen am kommenden Samstag, den 22.3.2014, in Mainz/Wiesbaden und in 5 weiteren Landeshauptstädten auf. „Wir wollen mit den Demonstrationen der Bundesregierung zeigen, dass eine breite Mehrheit der Gesellschaft weiß, dass die Energiewende überlebensnotwendig ist und deshalb mit den geplanten EEG-Änderungen nicht einverstanden ist, die einem Frontalangriff auf die Energiewende gleichkommen“, erklärt Michael Carl.
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